Und warum kannte sie nicht so ein Lied ?
Eines Tages wanderten die Beiden wieder mit den Sonnenstrahlen
und irgendwann kamen sie zu einem Turm. Auf dem Turm – er war soooooo riesig – leuchtete ein wunderschöner Stern. Pünktchen wurde neugierig und noch ehe sie fragen konnte, flüsterte ihr Jonas leise zu :
"Das ist der Botenturm. Wenn Du dort hinauf kletterst, dann kannst Du herab sehen auf die Erde. Zu deinen Eltern. Du kannst ihnen von dort aus deine Grüße schicken und ihnen sagen, das es Dir gut geht. Aber noch musst Du ein kleines bisschen warten. Denn du bist ja noch so klein und es ist nicht leicht , hinauf zu steigen."
Pünktchen war sehr erschrocken und sprach zu Jonas :
"Sie wissen nicht, das es mir gut geht ? Das ist ja traurig ."
Den ganzen Tag dachte sie darüber nach und wurde immer trauriger.
Jonas versuchte sie zum Lachen zu bringen – sie spielten die schönsten Spiele und aßen die leckersten Süßigkeiten. Aber das konnte Pünktchen nicht helfen.
Irgendwann zupfte sie zaghaft an Jonas und sagte :
"Ich möchte auf diesen Turm."
Jonas schüttelte nur den Kopf.
"Nein, du kannst da noch nicht rauf. Du bist noch viel zu klein."
Der Junge versuchte sie zu trösten. Oh, wie gut konnte er sein Pünktchen verstehen. Wie gut kannte er selbst diese Sehnsucht. Nichts half da, nicht einmal der größte, leckerste Regenbogenlutscher. Und so vergingen die Tage. Alle waren fröhlich und spielten zusammen – nur Pünktchen wurde immer trauriger. Jonas sorgte sich sehr, und fragte sich, was er wohl tun könnte. Dann kam ihm eine Idee.
Er nahm sein kleines Pünktchen und ging mit ihr zu diesem Turm.
Noch ehe Pünktchen fragen konnte, schnappte sie der Junge und sie kletterten gemeinsam auf den Turm. Oh, es war ja so anstrengend, denn Jonas war es nur gewöhnt, sich selbst dort hinauf zu tragen. Aber er kämpfte, denn er fühlte ja, es war seine Pflicht. Er war größer und stärker – und er liebte diese Kleine ganz besonders - und nur er konnte Pünktchen von ihrer Sehnsucht befreien.
Irgendwann – es dauerte schon sehr lange – kamen sie oben an. Die beiden Seelchen waren so erschöpft und sehnten sich nach etwas Schlaf. Aber Pünktchen konnte es nicht erwarten, endlich ein erstes Mal auf die Erde herab zu sehen. Sie wollte endlich die Grüße zu ihrer Mama schicken und ihr sagen, das es ihr hier oben sehr gut ginge. Sie wollte ihrer Mama von ihrem neuen Freund erzählen und von all den anderen Kindern. Und von den glitzernden Sternen, von den Sonnenstrahlen und den wunderschönen Farben. Und von den Gesängen hier oben. Und sie wollte auch fragen, warum sie kein solches Erdenlied kannte. Sie wollte soviel - Aber wie ?
Jonas erkannte ihre Sorgen und sprach :
"Liebes, kleines Pünktchen . Ich habe dich bis hierher getragen, aber nun liegt es an Dir allein. Du musst jetzt selbst den Weg zum Herzen dieses Erdenmenschen finden, den du so sehr vermisst. Wenn ich die Nachricht schicke, dann versteht sie Deine Mama sicher nicht richtig. Das kannst nur Du alleine schaffen."
Die Kleine dachte noch, wie sehr sie ihm wohl danken wollte. Da sagte Jonas nur müde :
"Ich weiß, mein kleines Pünktchen. Das ist okay. Wenn du mal größer bist, wer weiß. Vielleicht wirst du dasselbe für ein anderes kleines Seelchen tun."
Dann legte sich Jonas hin und versank sofort in einem tiefen Schlaf.
Pünktchen schaute nachdenklich. Sie war so glücklich, endlich auf den Turm zu sein. Wie nur konnte sie jetzt die Nachricht schicken und die Küsse ? Sie hörte noch Jonas´ Stimme :
"Bedenke, unsere Sprache können Erdenmenschen nicht verstehen..."
Und Pünktchen begann zu überlegen...
Irgendwann – es war schon tief in der Nacht – da kam dem kleinen Pünktchen eine Idee. Sie erinnerte sich an das Lied, das Jonas immer mit dem Wind zu seiner Erdenmama schickte. Jetzt freute sich das kleine Seelchen so sehr und hielt ganz ungeduldig nach ihrer Erdenmama Ausschau. Es dauerte auch gar nicht lange, und Pünktchen konnte sie entdecken.
Die Erdenmama saß an einem Fenster und schaute in den Himmel. Direkt zu Pünktchen hinauf.
Kannst du mich sehen, liebe Erdenmama ? rief Pünktchen und winkte ihr ganz aufgeregt zu.
Oh, wie ungeduldig sie doch jetzt schon war. Sie muss mich doch sehen können, dachte Pünktchen verzweifelt. Ich muss irgendetwas tun...
ünktchen sammelte ihre ganze Kraft und rief dem Wind zu :
"Wind, ich bitte dich, bringe meiner Mama die Grüße. Es geht mir gut, sagst du ihr das ?!"
Der Wind machte sich sofort auf die Reise . . .
Aber nichts geschah. Die Erdenmama saß weiter still am Fenster.
Pünktchen war sehr verzweifelt. Was konnte sie noch tun ? Da kam ihr ein Gedanke und sie rief :
"Ihr lieben Sterne. Ich bitte euch, funkelt heute besonders hell und bringt meiner Mama die Nachricht von mir."
Die Sterne hörten das und begannen sofort, so schön und so hell zu funkeln . . .Aber nichts weiter geschah. Nur eine kleine Träne stand in den Augen der Erdenmama. Pünktchen wurde immer trauriger. Sie überlegte und sie strengte sich so an. Es muss doch einen Weg geben . . .Die Zeit verging und der neue Tag brach ein.
Da kam dem kleinen Pünktchen wieder eine Idee.
Sie rief zur Sonne :"
"Liebe Sonne, ich bitte dich so sehr. Sende deinen schönsten Strahl zu meiner Mama und küsse sie von mir direkt auf ihre Nasenspitze."
Die Sonne lies sich nicht lang bitten und schien so schön es nur irgendwie ging.
Ungeduldig schaute Pünktchen nach unten zur Erde. Sie entdeckte ihre Mama und schaute ihr zu. Wird sie mich jetzt verstehen können ? dachte Pünktchen. Sie wünschte es sich ja so sehr. Und sie wartete...
Plötzlich schaute die Erdenmama direkt in den Himmel. Sie kniff ihre Augen zusammen und lächelte der Sonne entgegen. Pünktchen war ganz außer sich vor Freude und fragte sich : Ob sie mich wohl jetzt erkannt hat ? “Hallo, hier bin ich, es geht mir gut“
rief die Kleine, so laut sie nur konnte .Aber nichts weiter geschah...
Jetzt wurde Pünktchen so richtig traurig.
"Was kann ich nun noch tun ?"
fragte sie sich verzweifelt .
Und plötzlich kam ihr noch eine Idee...
Sie betete die Wolken an und rief mit ihrer letzten Kraft :"
Ich bitte euch, ihr lieben Wolken . Lasst die schönsten Regentropfen auf die Erde herab fallen und bringt meiner Mama die Nachricht."
Sofort begann es zu regnen. Erst waren es kleine, zarte Tröpfchen und dann wurden sie immer größer und immer stärker. Und es wollte so gar nicht mehr aufhören zu regnen. Und Pünktchen suchte wieder ihre Mama.
Die Erdenmama hielt plötzlich inne und streckte ihre Hände aus. Sie fing die Regentropfen auf und begann ganz langsam sich im Kreis zu drehen. Sie sah sehr glücklich aus und doch standen in ihren Augen wieder Tränen.
"Oh, liebe Mama, bitte weine nicht. Es geht mir gut,
ich werd dich nie vergessen,"
flüsterte das kleine Pünktchen,
"Und ich werde dich immer begleiten – und dir Regentropfen schicken – und Sonnenstrahlen, die dich wärmen – und Sterne – und im Winter Schneeflocken, damit du dich freuen
kannst"
Pünktchen sammelte ihre letzte Kraft – sie war ja schon so erschöpft – und schickte einen lieben Kuss ganz leise auf Erde. Da sah sie direkt in die Augen der Sternenmama und konnte die Sehnsucht so spüren. Die Erdenmama war schon ganz nass vom vielen Regen. Trotzdem aber blieb sie immer noch stehen und schaute in den Himmel. Ganz leise fing die Mama an, das schönste Wiegenlied zu singen . . .
Pünktchen hatte so ein schönes Lied noch nie gehört. Solch schöne Klänge .
Oder doch ???
Und plötzlich kam ihr die Erinnerung. Dieses Lied hatte das kleine Seelchen schon so oft gehört. Damals, als sie noch auf der Erde war. Sie hatte es nur irgendwie vergessen. An jedes Wort konnte sie sich langsam wieder erinnern. Oh, wie gut das tat – wie unendlich schön das war. Pünktchen hatte es geschafft und sie war nun unendlich glücklich. Sie wusste nun, das ihre Erdenmama sie niemals vergisst und hatte ihr Wiegenlied wieder gefunden.
Welch ein schöner Tag für das kleine Kinderseelchen. Jetzt musste sie nur noch lernen, dieses Lied mit dem Wind zu schicken. Direkt an das Ohr ihrer Erdenmama. Wenn sie traurig ist, wird sie das trösten. Und Pünktchen wusste nun auch, wenn ihre Mama dieses Lied singt, dann denkt sie an ihr kleines, tapferes Pünktchen. Oh, welch ein Glück . Das musste sie sofort Jonas erzählen.
Der Junge blinzelte noch ganz verschlafen :
“Ich weiß“,
sagte er und umarmte sein kleines Pünktchen liebevoll.
Jetzt wird es aber Zeit – wir müssen gehen . . .