Mischka

Messages
3.507
Reaction score
0
Ihr Leben begann in einer Labormaus-Zuchtabteilung. Vierzig junge Labormäuse, ein Auszuchtstamm, wurden schließlich für einen Versuch bestellt. Mischka war eine von ihnen. Doch irgend jemandem muß ein Fehler unterlaufen sein, denn im Labor wurde festgestellt, daß der falsche Labormausstamm geliefert worden war, einer, den man für den speziellen Versuch nicht benötigte.
Die Gesetze sind streng und eindeutig: Labormäuse, die das Labor verlassen haben, dürfen nicht mehr hinein, nur so können die hygienischen Standards garantiert werden. Alle Labormäuse müssen nach Ende der Versuche getötet werden.
Aber mit diesen Tieren war noch überhaupt nichts geschehen. Sie waren jung, kerngesund, sie waren bestellt und falsch geliefert – mehr nicht. Die Laborleiterin wollte die Mäuse nicht einfach so töten lassen, sondern wandte sich an die Mäusehilfe Berlin mit der Anfrage, ob die vierzig Labormäuse vermittelt werden könnten. Daraufhin fuhren Inge und Barum los und kamen mit einem Käfig voller quirliger junger Albinos wieder zurück.
Eine Vierzigergruppe war ein Phänomen – leider funktionierte es nicht so, wie man es gern gehabt hätte. Immer wieder wurden einzelne Tiere herausgemobbt und verbissen, so daß Inge sie herausnehmen und in eine andere Gruppe setzen mußte. Kurz bevor sie nach Österreich umzog, wurde das dritte Mädchen in der Gruppe gemobbt und unterdrückt. Ich war zufällig bei ihr, wir feierten Abschied, als uns das verängstigte Mädchen auffiel, das nicht einmal mehr zum Wassernapf durfte und sich nicht aus einem Kokosnußversteck traute. Inge fing es heraus, und als wir sahen, daß der Hintern mit Bißwunden übersät war, stand fest, daß die Kleine nicht in der Gruppe bleiben konnte. Eine andere Gruppe für sie hatte Inge aber gerade nicht. Bei mir hingegen paßte es, und so zog Mischka bei mir ein.
Leider lebte sie nur neun Monate bei mir.
Da Flokatis Gruppe gerade wegen Altersschwäche ausstarb, war ich froh, ein einzelnes liebes jüngeres Mädchen hinzuvergesellschaften zu können. Flokati war der letzte in seiner Gruppe, und als er im Alter von 2 Jahren und 3 Monaten starb, zog Mischka, die die letzte meiner Mäuse hier war, die mit Flokati zusammengelebt hatte, in Pegmans Gruppe. Dort ging sie völlig in ihrer Freundschaft zu Pegman auf, der nach seiner langen Einzelhaft von etwa einem Jahr einfach nur überglücklich mit seinen Mädchen war und ist. Semis alte Töchter lebten mit in der Gruppe, und Mischka verstand sich mit allen von Anfang an hervorragend, besonders mit Rhoxane. Ruhig, unauffällig, aber immer da, das war sie. Oft ließ sie sich minutenlang von Pegman putzen, der mit großer Hingabe an seinen Mädchen herumputzte und sich durch nichts und niemanden stören ließ. Ich glaube, sie hat ihren Mäusefreund sehr, sehr gerngehabt. Manchmal knabberten sie sogar Seite an Seite am selben Oblatenstückchen, das jeder mit einer Pfote festhielt.

Viele Jahre lang war ich mit meinen Mäusen von einer Gebärmutterentzündung verschont geblieben, einer Erkrankung, vor der es mir graut, weil ich leider zu gut weiß, wie schlecht die Heilungschancen bei Farbmäusen stehen. Aber leider bekam Mischka eine Gebärmutterentzündung. Wird sie symptomatisch deutlich sichtbar, ist sie oft schon weit fortgeschritten. Ich wollte nichts unversucht lassen und setzte meine Hoffnung auf Alizin, das relativ neu bei Mäusen angewendet wird und bewirkt, daß die Gebärmutter sich zusammenzieht, so daß der Eiter herausgedrückt wird. Zusätzlich bekam sie Baytril gespritzt, weil sie leider nur zögerlich Medizin vom Löffel nahm, die Dosis aber garantiert werden mußte. Aber sie war sanft in der Hand und ließ sich problemlos behandeln.
Das Alizin schlug nicht an. Mischka ging es schlechter und schlechter, der Eiter tropfte schon heraus. Die Gebärmutter und die Milz waren so stark vergrößert, daß sie gegen das Zwerchfell drückten und Mischka den Atem nahmen. Gestern abend fand ich sie schwer atmend halb auf der Seite liegend, die Augen halb geschlossen, ein Bild des Schmerzes. Mir blieb nichts mehr, als sie sofort erlösen zu lassen.
Sie schlief ganz langsam ein, und Pegman verdient hier ganz besondere Erwähnung:

Lieber Pegman, ich kann dir nicht genug danken für das, was du getan hast, als ich deine Freundin nach der Spritze zurücklegte. Du bist einfach wundervoll. Du hast dich an sie heran gekuschelt, hast sanft ihr Köpfchen geputzt, hast sie beschützt, deinen Kopf auf ihren Rücken gelegt und mit ihr gemeinsam darauf gewartet, daß ihr Herz schließlich immer langsamer und dann gar nicht mehr schlug. Ich weiß, daß sie keine Angst hatte, weil du für sie da warst.
Wahrscheinlich verstehst du die Welt nicht mehr. Warum ist sie nicht mehr aufgewacht? Du wußtest, daß es ihr schlecht ging, ja, aber als ich sie noch einmal herausnehmen mußte, um sie abzuhorchen und sicherzugehen, daß es vorbei war, wolltest du sie nicht hergeben und bliebst neben sie gekuschelt. Es tut mir so leid, mein Kleiner, daß ich dir deine Freundin nehmen mußte, wie unendlich gern hätte ich sie noch viel länger in deiner Gruppe gelassen. Aber es ging nicht. Jetzt schläft sie und hat keine Schmerzen mehr. Ihr werdet euch bestimmt irgendwann wiedersehen. Auch wenn ich egoistischerweise hoffe, daß du mir noch lange erhalten bleibst, kleiner Pegman, dein Alter kenne ich leider nicht. Danke, daß du sie geputzt und beschützt hast, während sie einschlief! Ich verspreche dir, daß ich alles tun werde, damit du nie mehr allein sein wirst, du bist lange genug allein gewesen, etwa ein Jahr lang, ehe du zu mir kamst.

Liebe Mischka, es tut mir so leid, natürlich frage ich mich: was wäre gewesen, wenn ich diese schreckliche Gebärmutterentzündung früher festgestellt hätte… Aber ich weiß nicht, ob ich dich dann hätte retten können. Ich hoffe, du hast nicht lange gelitten. Gestern abend, als ich dich so fand, war ich schockiert und machte mir Vorwürfe: Warum bin ich nicht eine Stunde früher in den Raum gekommen oder zwei Stunden, drei? Wie lange liegt sie da schon und hat Schmerzen? Deswegen stand für mich fest, dich sofort gehen zu lassen. Ich wünschte, wir beide hätten mehr gemeinsame Zeit gehabt. Ich hoffe, du warst gerne hier und warst in deinen Gruppen glücklich. Danke, daß ich dich kennenlernen durfte. Schlaf schön, kleine Mischka.
Du bleibst in meinem Herzen.


Mischka und Pegman
IMG_2266.jpg


IMG_2845.jpg


226_2657_r1.jpg
 
Messages
2.344
Reaction score
0
machs gut mischka, immerhin hattest du den Mäusehimmel nach der Hölle....
nun nun wieder im Himmel, nur ein anderer Ort, machs gut kleine... *Abschied*
 
J

jessy2412

Guest
Machs gut kleine Mischka, und grüß mir ganz lieb meine Katze die auch so geheissen hat. *Abschied*
 
Top Bottom